Interview mit dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Thüringer Tischtennis-Verbandes, Dr. Carsten Morgenroth

Veröffentlicht am 26.07.2020 im Bereich Aktuelles

Juliane Dorf-Leu:

Carsten, der Rechtsausschuss tritt gegenüber vielen Tischtennisinteressierten nicht so in den Vordergrund. Deshalb kennt dich vielleicht noch nicht jeder. Könntest du dich bitte kurz vorstellen und den Leser sagen, wie du zum Tischtennissport gekommen bist?

Carsten Morgenroth:

Klar, gerne. Mein Name ist Carsten Morgenroth. Ich bin von Beruf Jurist, wohne in Jena und habe seit 2002 die Ehre, den Rechtsausschuss im TTTV leiten zu dürfen.Ich bin selbst aktiver Spieler seit meiner Kindheit. Irgendwann kam mir dann die Idee, meinen Beruf und meine sportliche Leidenschaft für Tischtennis miteinander zu verbinden.

Juliane Dorf-Leu:

Wann hast du begonnen, dich für das sportliche Ehrenamt zu interessieren?

Carsten Morgenroth:

Als ich Ende der 1990er Jahre im Studium schon fortgeschritten war und das Gefühl hatte, rechtlich effektiv helfen zu können. Ich wollte dem Thüringer Tischtennissport etwas zurückgeben. Nach dem Ersten Juristischen Staatsexamen ging ich dann auf den TTTV zu und wurde ab 1999 zunächst als Beisitzer aufgenommen. Dort konnte ich unter meinem Vorgänger im Amt, Karl-Heinz Baumgart, viel über rechtliche Fragen im Sportverein lernen. Es machte mir Spaß, und ich entschloss, mich stärker zu engagieren. Meine Knie-Operationen 2001 besiegelten dann meine intensivere aktive Laufbahn als Tischtennisspieler und ebneten den Weg zum Sportfunktionär. 2002 habe ich den Rechtsausschuss dann übernommen.

Juliane Dorf-Leu:

Wie waren deine ersten „Begegnungen mit dem Amt“?

Carsten Morgenroth:

Turbulent und spannend. Der Gründungspräsident Helmut Rochser wurde durch Helmut Merrbach abgelöst, der gleich mit viel Elan und Ideen an das Amt des Präsidenten heranging und mich von Anfang an aktiv einband. Meine ersten Aufgaben waren gleich die Überarbeitung von Satzung und Rechtsordnung für den TTTV. Das war höchst spannend für mich und so ging es auch weiter in den kommenden Jahren.

Juliane Dorf-Leu:

Und worin besteht nun deine Arbeit im Rechtsausschuss?

Carsten Morgenroth:

In erster Linie behandeln wir Verfahren nach der Rechtsordnung. Meistens sind das Einsprüche oder Berufungen aus dem Wettspielbetrieb heraus. Manchmal unterstütze ich den Vorstand aber auch in rechtlichen Fragen oder wenn der Vorstand sonst meine Unterstützung wünscht. Das ist immer etwas heikel, weil wir im Rechtsausschuss zeigen müssen, dass wir neutral sind. Jeder muss den Eindruck haben, dass eingelegte Rechtsbehelfe auch eine wirkliche Aussicht auf Erfolg haben und der Rechtsausschuss sozusagen nicht von Vornherein im Lager des Verbandes steht.

Juliane Dorf-Leu:

Habt ihr auch schon einmal gegen den Verband entschieden?

Carsten Morgenroth:

Natürlich kommt das auch vor, je nach Sachlage. Insgesamt behandeln wir so zwischen zwei und fünf Verfahren pro Saison – in selten Fällen auch vor Gericht, beispielweise als die Umstellung auf click-TT anstand. Da hatte der DTTB-Bundestag Beschlüsse gefasst, von denen vor allem die kleineren Verbände wie unserer der Meinung waren, dass sie finanziell nicht zu leisten waren. Als mehrere sondierende Gespräche scheiterten, sah sich die Allianz mehrerer kleinerer Verbände, zu der auch der TTTV gehörte, gezwungen, Rechtsschutz vor einem staatlichen Gericht zu suchen. Unser Verband übernahm dabei die federführende Rolle, und ich bereitete die Klageschrift vor. Wir haben damals vor dem Landgericht Berlin gegenüber dem DTTB eine einstweilige Verfügung beantragt, welche die click-TT-Beschlüsse des DTTB vorläufig aussetzen sollte.

Juliane Dorf-Leu:

Klingt spannend, aber irgendwie auch … heikel … hattet ihr Erfolg?

Carsten Morgenroth:

Ja und nein. Das konkrete Verfahren endete in einem Vergleich. Infolge des Verfahrens gab es seitens des DTTB aber erhöhte Kommunikations- und Kompromissbereitschaft, so dass wir das Projekt click-TT dann doch noch gemeinsam auf die Beine gebracht haben.

Juliane Dorf-Leu:

Wenn du auf 20 Jahre Rechtsausschuss zurückblickst, was fällt dir dann besonders auf?

Carsten Morgenroth:

Ich glaube, dass wir im Rechtsausschuss ein Prinzip der Zurückhaltung bei gleichzeitiger Konsequenz kultiviert haben. Plausible, nachvollziehbar begründete Entscheidungen einerseits, andererseits aber ohne einen übertriebenen Geltungsdrang nach außen zu zeigen – so, wie es von integren Bewahrern und Hütern des Rechts auch bei den staatlichen Gerichten erhofft bzw. erwartet wird. Juristen sollen keine Politik machen, sondern in erster Linie im Lager des Rechts stehen. Ich glaube und hoffe, das ist uns gelungen. Hier haben meine Beisitzer über die Jahre, alles entweder Berufsjuristen oder erfahrene Sportfunktionäre, einen mindestens ebenso großen Anteil wie ich. Inhaltlich bin ich sehr stolz und froh, dass wir die (ungeschriebenen) Regeln der sportlichen Fairness in unserer Rechtsprechung sukzessive eingeführt und diese ausgebaut haben.

Juliane Dorf-Leu:

Was meinst du mir den Regeln der sportlichen Fairness genau?

Carsten Morgenroth:

Weil unsere geschriebenen Regeln im Verband mit Absicht nicht detailreich ausgeschmückt sind, stoßen wir in Sondersituationen manchmal an Grenzen. Hier überlegen wir, wie wir diese rechtliche Lücke am sinnvollsten schließen könnten. Dabei kommt dann ein ungeschriebener Codex von Regeln, den man von den Olympischen Spielen her als Fair Play kennt, ins Spiel. Im Wesentlichen geht es dabei darum, die gezeigte Leistung und nicht Verfahrensregeln über Sieg oder Niederlage entscheiden zu lassen. Klassischer Fall von Fair Play im Tischtennis ist etwa, einen Kantenball zugunsten des Gegners, den der Schiedsrichter nicht gesehen hat, anzuzeigen. Diese Gedanken der leistungsbezogenen Gerechtigkeit haben wir dann auf verschiedene Strukturen angewandt. Es war und ist uns wichtig, dass Entscheidungen nicht am vielzitierten grünen Tisch, sondern unter dem Eindruck von Sporthalle und Trainingsanzug getroffen werden, im Sinne des Sports eben.

Juliane Dorf-Leu:

Welche Herausforderungen siehst du aktuell?

Carsten Morgenroth:

Natürlich hat die aktuelle Corona-Situation rechtlichen Klärungsbedarf in viele Richtungen hervorgebracht … Fragen über Fragen, mit denen wir uns in den letzten Wochen konfrontiert sahen wie zum Beispiel: Wann werden wieder Wettkämpfe stattfinden können? Kann der geplante Verbandstag durchgeführt werden? Was passiert mit dem Sportgymnasium? Können dieMitgliedsbeiträge nach wie vor abgefordert werden? Auch wenn im Lauf der vergangenen Wochen einige Dinge schon geklärt werden konnten bzw. wieder im Fluss sind, denke ich, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie uns auch noch etwas beschäftigen werden. Des Weiteren treiben uns auch die datenschutzrechtliche Frage bei der Bewältigung zunehmend digitalisierter Prozesse oder der Umgang mit sozialen Medien bei der Mitgliedergewinnung und Pressearbeit immer mehr um.

Juliane Dorf-Leu:

Carsten, könntest du uns zum Abschluss noch dein witzigstes und dein schmerzhaftestes Erlebnis mit dem Tischtennissport verraten?

Carsten Morgenroth:

Lass mich überlegen … Im Nachhinein witzig, im damaligen Moment aber eher kritisch war mein Cola-Rausch zur DDR-Kindermeisterschaft 1988 in Ost-Berlin. Dort gab es Cola, so viel man wollte, und weil ich das aus meiner Heimat nicht kannte, haben wir natürlich so zugeschlagen, dass ich in der Nacht kein Auge zugemacht habe. Das schmerzhafteste Erlebnis war, als ich als Jugendlicher einen Tischtennisball auf meinen Zahn bekommen habe. Das kleine, leichte Ding fühlte sich bei einem Aufprall mit gefühlten 100 km/h so schwer an wie eine Kugelstoßkugel. Ist aber alles heil geblieben.

Juliane Dorf-Leu:

Carsten, wir danken dir für das Gespräch.