Interview Ingolf Gläßer – Spezialsportlehrer am Pierre-de-Coubertin Gymnasium in Erfurt

Veröffentlicht am 10.05.2020 im Bereich Aktuelles

Die Eliteschule des Sports in Erfurt fördert unter optimalen Bedingungen sportbegeisterte Kinder. Unter anderem sind sogenannte Spezialsportlehrer für ihr schulisches und sportliches Weiterkommen maßgeblich verantwortlich.

Sehr geehrter Herr Gläßer, was ist ein sogenannter Spezialsportlehrer?

Der Begriff „Spezialsportlehrer“ ist frei erfunden, allerdings nicht von mir. Diese Bezeichnung existiert offiziell nicht. Manchmal spricht man auch von „Lehrertrainern“. Was damit gemeint ist sind Lehrer, die am Gymnasium bzw. im Regelschulteil ein sogenanntes „Sachfach“ unterrichten und darüber hinaus noch im sogenannten Spezialsport in den jeweiligen Sportarten tätig sind. Spezialsport ist quasi ein Hybrid, er hat den Charakter von Training, ist gleichzeitig aber auch ein benotetes, zeugnisrelevantes Schulfach unabhängig vom normalen Schulsport, den es auch gibt. Begabtenförderung in Form von Spezialsport ist eine der Besonderheiten, die die Thüringer Sportgymnasien von den „normalen“ Gymnasien unterscheidet. In meinem konkreten Fall stellt sich das so dar, dass ich Englisch und Schulsport in der Sekundarstufe 1 und 2 unterrichte. Dies macht, von Jahr zu Jahr etwas unterschiedlich, ca. 60-70 Prozent meines Jobs aus. Was dann noch an Stundenvolumen bleibt, ist die Tätigkeit im Spezialsport Tischtennis in Zusammenarbeit mit dem Landestrainer Frank Schulz.
Sogenannte Lehrertrainer gibt es in einigen, jedoch nicht in allen der insgesamt elf Sportarten an unserer Schule, wobei die proportionale Aufteilung von klassischer Lehrtätigkeit und Training recht stark variiert. Sie kann im Extremfall in bestimmten anderen Sportarten auch 0 zu 100 sein.

Wie sind Sie zu dieser Tätigkeit gekommen? Welcher Weg führte sie ans Pierre-de-Coubertin Gymnasium?

Ich habe von 1991 an der FSU Jena Englisch und Sport für das Lehramt an Gymnasien studiert. Bereits während des Studiums bzw. des anschließenden Referendariats habe ich im TTTV meine Trainer C- und später die Trainer B-Lizenz erworben. In dieser Phase habe ich auch die ersten Kontakte zur leistungssportlichen Arbeit im Tischtennis geknüpft, am Stützpunkt in Jena assistiert, die ersten Verbandsmaßnahmen mit absolviert. Besonders mit dem damaligen Verbandstrainer Dirk Wagner (jetzt Bundesstützpunktleiter beim DTTB in Düsseldorf) entwickelte sich eine phasenweise recht intensive Kooperation. Nachdem ich meinen Einstieg in den Lehrerberuf am Gymnasium Schleiz vollzogen hatte, ergab sich die Möglichkeit nach Erfurt zu wechseln. Man suchte damals per Stellenausschreibung mehrere Lehrer für bestimmte Fächer mit der Zusatzqualifikation der Trainerlizenz B für verschiedene Sportarten. Seit 2001 bin ich ununterbrochen dort tätig.

In Thüringer Tischtenniskreisen sind sie selbst weniger bekannt, wo haben Sie Tischtennis spielen gelernt und warum nun ausgerechnet diese spezifische Sportart?

Das mag einerseits daran liegen, dass ich kein echter Thüringer bin, ich komme aus Sachsen. Und andererseits habe ich selbst nie auf gehobenem Niveau Tischtennis gespielt. Abgesehen davon ist mir mein Bekanntheitsgrad völlig egal, wer mich kennen will, der kennt mich. 😊
Ja, und warum Tischtennis? Warum nicht! Über die spezifische Faszination dieses Sports ist schon alles zigfach gesagt worden. Was mich reizt ist die Suche nach Lösungen. Wie kann man ein sportliches Talent in einem doch recht kleinen Zeitfenster von sagen wir mal 8-10 Jahren dazu bringen, ein Maximum an Erfolg zu erreichen? Dies ist im Leistungssport generell eine Kunst, aber, verglichen mit einigen anderen Sportarten, im Tischtennis in Deutschland besonders knifflig.

Welche Bedeutung hat für Sie ganz persönlich die Eliteschule des Sports für die jungen Talente?

Die Kinder und Jugendlichen kommen an das Sportgymnasium und leben und trainieren dort, weil sie heiß auf ihre Sportart sind, weil sie hungrig sind, hungrig auf Aktivität, hungrig auf Selbstbestätigung, auf Leistungssteigerung, auf Erfolg. Dieser Lebensabschnitt verläuft für jeden individuell anders, nicht alle Träume gehen da in Erfüllung. Meine Wahrnehmung ist aber, ungeachtet der leistungssportlichen Karriere, dass unsere Schüler unheimlich viel in ihrer Persönlichkeitsentwicklung aus ihrer Zeit am Sportgymnasium mitnehmen.  

Wo sehen Sie die Zukunft der Spezialschule – wo muss optimiert werden, was wünschen Sie sich noch?

Oh, schwierig das in wenigen Sätzen zu beantworten. Dieses Konstrukt aus Schule, Leistungssport und Internatsleben bringt natürlich auch viele Probleme in diesen allen drei eng miteinander verknüpften Handlungsfeldern mit sich. Der „Wunschzettel“ für Optimierungs- und Veränderungsbedarf ist sicher bei allen Lehrern, Trainern und Erziehern gut gefüllt. Wenn ich mir etwas wünschen sollte, dann, dass die bildungs- und sportpolitischen Entscheidungsträger unseres Landes die Sportgymnasien Thüringens als das verstehen, was sie in meinen Augen sind, nämlich kleine aber feine Förderinstitutionen für einige unserer begabtesten Kinder und Jugendlichen, Aushängeschilder für unseren Nachwuchsleistungssport. Hat man dann noch den Mut den Elitebegriff positiv zu besetzen und dies auch so in die öffentliche Diskussion zu transportieren, dann kann dies in der Konsequenz nur in eine Stärkung dieser Institutionen münden. Das ideale Sportgymnasium der Zukunft ist für mich eine personell, finanziell und strukturell sehr gut aufgestellte Einrichtung, in der hochmotivierte Trainer und Pädagogen gemeinsam mit den ebenso motivierten Kindern, Jugendlichen und deren Eltern erfolgreich an der Erreichung hoch anspruchsvoller sportlicher und schulischer Ziele arbeiten.

Ingolf Gläßer